Oft stellt sich der Wert der eigenen Arbeit erst im Nachhinein heraus, manchmal sogar erst sehr spät im Nachhinein. Im Februar hat der Kameramann Jost Vacano einen Sieg errungen im Streit um die Vergütung für seine Arbeit am legendären Fernsehmehrteiler "Das Boot" - von 1985. Der Bundesgerichtshof gestand ihm in einem Grundsatzurteil eine angemessene Beteiligung auf der Grundlage des "Fairnessparagrafen" im Urheberrecht zu, weil bei dem Filmerfolg die 100 000 Mark zu wenig sind, die Vacano bekommen hatte; die genaue Höhe klärt nun das Oberlandesgericht Stuttgart. Die Sache ist noch gar nicht ausgestanden, da wird schon ein anderer prominenter Fall vor dem Berliner Landgericht verhandelt.
Laut Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung hat die Drehbuchautorin Anika Decker Til Schweigers Firma Barefoot Films und Warner Bros. verklagt. Decker war bei Schweigers Kassenschlagern "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" Drehbuchautorin. Für "Keinohrhasen", der 2007 mit mehr als sechs Millionen Zuschauern nur von "Harry Potter und der Orden des Phönix" an den deutschen Kinokassen abgehängt wurde, hat sie 50 000 Euro erhalten. Der Film hat nach der Kinoauswertung als Home Entertainment und im Fernsehen zusätzlich Geld gemacht - weshalb sich Decker unterbezahlt fühlt. Sie will nun die Offenlegung der Erlöse erstreiten und dann ein daran bemessenes Honorar. Die Produzenten aber wollen sich erst gar nicht in die Bilanzen schauen lassen.
Die Einspielergebnisse von Kinofilmen werden systematisch kleingerechnet
Insgesamt ist es ungeheuer schwer, tatsächlich etwas darüber zu erfahren, wie viel ein Film eingespielt hat - das ist nicht neu und hat gar nichts mit Til Schweiger zu tun. Amerikanische Filmstudios geben selten Zahlen heraus, und die schwächeren Partner, die an den Einspielergebnissen beteiligt sind, haben das Nachsehen. In den USA ist die Praxis, sich die Einspielergebnisse von Filmen bis ins Nichts hinunterzurechnen, so weit verbreitet, dass man das "Hollywood Accounting" nennt. Es gibt überaus prominente Beispiele für Filme, die angeblich keinen müden Cent an den Kassen eingespielt haben. Einer der ersten aufsehenerregenden Prozesse war jener um "Der Prinz aus Zamunda" - die Komödie mit Eddie Murphy lief 1988 überall auf der Welt mit großem Erfolg, 288 Millionen Dollar Umsatz soll sie gemacht haben. Als es darum ging, dem Autor Art Buchwald, der die Vorlage für das Drehbuch geliefert hatte, seinen Anteil auszuzahlen, war angeblich kein Geld da. Buchwald zog 1990 gegen das Filmstudio Paramount vor Gericht und gewann, stimmte dann aber einem Vergleich zu, bei dem er 900 000 Dollar bekam. Der Autor ersparte sich einen Prozess durch mehrere Instanzen - und Paramount musste sich nicht in die Bücher schauen lassen.
Sogar um "My Big Fat Greek Wedding" gab es Streit - die Produzenten Tom Hanks und Rita Wilson sowie Star und Autorin Nia Vardalos waren stolz darauf, einen Welterfolg für nur fünf Millionen Dollar produziert zu haben. Der Film spielte an den Kinokassen mehr als 350 Millionen Dollar ein und laut Los Angeles Times weitere 287 Millionen Dollar in der weiteren Verwertung. Hanks, Wilson und Vardalos verklagten die Produktionsfirma Gold Circle 2007, weil sie meinten, zu wenig Geld bekommen zu haben, zogen die Klage aber zurück, die Zahlen wurden nicht offengelegt.
Die Film-Website Deadline zeigte 2010 ein internes Dokument, auf dem zu lesen steht, dass nicht einmal "Harry Potter und der Orden des Phönix", der 2007 "Keinohrhasen" abhängte, ein gutes Geschäft gewesen sein soll; mit mehr als 900 Millionen Dollar Umsatz weltweit errechnete das Filmstudio Warner damals, dass der Film in den Miesen sei. Erst einmal müsste man wohl definieren, was überhaupt ein Profit ist - in dem dort beschriebenen Fall wurden auch Zinsen dafür berechnet, dass man das Projekt überhaupt finanziert hatte. Von Deadline befragte Buchhalter fanden das nicht weiter erstaunlich.
Die eigentliche Frage ist ja, ob man jedes Schlupfloch nutzen muss, das einem das Recht auftut. Man könnte Leute eigentlich auch dann fair behandeln, wenn man nicht muss; sogar dann, wenn man an dem Mangel an Fairness gar nicht selbst schuld ist. Nun hat auch Til Schweiger Anika Decker das vereinbarte Honorar laut FAS im Nachhinein aufgestockt, bei "Keinohrhasen" von 17 500 Euro auf 50 000. Nur ist das für einen der erfolgreichsten deutschen Filme wahrlich nicht viel.
Was nun Fairness angeht: Diane Keaton erzählt gern davon, wie es ihr bei "Was das Herz begehrt" (2003) erging. Sie tat sich damals schwer, überhaupt Rollen zu finden; ihr Co-Star Jack Nicholson aber, größter Star der Kinowelt, bekam eine saftige Beteiligung an den Einspielergebnissen. Er gab Keaton, obwohl er das nicht musste und für ihren schlechten Vertragsstatus nicht verantwortlich war, einfach einen Teil seiner Gage ab. Weil er es für richtig hielt. Es steht jedem frei, so fair zu sein, wie er will.
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