Viele Jahre lang hatte Volkswagen, der größte Fahrzeughersteller der Welt, die Aufmerksamkeit bei der Elektromobilität seinem US-Konkurrenten Tesla überlassen. Mit der Markteinführung des ersten rein als Elektroauto entwickelten VW, dem ID.3 und dessen Folge- und Schwestermodellen, soll sich das nun ändern. Seit Montag können die Kunden in Deutschland und in verschiedenen europäischen Ländern den ID.3 bestellen.
Mit konzernweit 33 Milliarden Euro Investitionen bis 2024 will Volkswagen mittelfristig Weltmarktführer bei der Elektromobilität werden. Jährlich rund 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge sollen bis 2025 allein bei der Kernmarke VW vom Band laufen. Das geht auch für die Händler und Kunden mit gravierenden Veränderungen einher. WELT beschreibt die dabei wichtigsten Aspekte.
Preisbindung statt Rabatte
Volkswagen will die erhoffte Nachfrage beim Ausbau der Elektromobilität in Deutschland nutzen und stellt dafür sein Vermarktungssytem um. „Wir werden den ID.3 und alle Folgemodelle der vollelektrischen ID-Familie in Deutschland mit dem für uns am Privatkundenmarkt neuen Agenturmodell vermarkten“, sagte Konzern-Vertriebschef Christian Dahlmann WELT. „Das bedeutet, wir setzen als Volkswagen den Preis für Deutschland.“
Das schaffe „Preistransparenz im Gegensatz zur bislang häufig schwer durchschaubaren Vielfalt von Rabattangeboten“. Die Vertragshändler von Volkswagen ziehen bei dem sogenannten „Agenturmodell“ mit. Sie haben vor Augen, dass zum Beispiel Tesla bei der erfolgreichen Vermarktung seiner Fahrzeuge praktisch ganz ohne Händler auskommt.
Hinzu kommt die allgemein wachsende Popularität des Onlinehandels im Automobilgeschäft. Im Agenturmodell von Volkswagen haben die stationären Händler zwar weniger Autonomie als zuvor, sie bleiben aber in der Strategie des Konzerns ein fester Bestandteil des Fahrzeughandels, von der Beratung und der Probefahrt bis zur Auslieferung und Wartung des Autos.
130 Kilometer mehr Reichweite für 13.000 Euro
Die derzeit verfügbaren insgesamt sieben Versionen des ID.3 kosten zwischen 35.575 Euro für das Basismodell mit 420 Kilometern Reichweite und 48.432 Euro für die Langstreckenversion mit 550 Kilometern Reichweite und Sonderausstattung wie etwa Massagesitzen. Auf alle Modelle wird die Kaufprämie für Elektroautos von 9480 Euro angerechnet. Volkswagen übernimmt davon den Herstelleranteil von 3480 Euro, den Rest zahlt der Bund.
Volkswagen schließt die Verträge für seine neuen Elektroautos direkt mit den Endkunden ab, wie es für Autos im Firmenkundengeschäft vieler Hersteller längst üblich ist. Dem Konzern geht es dabei vor allem auch um die kostbaren Kundendaten und um die engere Bindung der Käufer bei Vermarktung zusätzlicher digitaler Leistungen für die Fahrzeuge. Auch hierbei ist Tesla Vorbild.
Alles neu bei Konfiguration, Beratung und Übergabe
Die Digitalisierung rückt ins Zentrum des Verkaufsprozesses. Volkswagen bietet eine spezielle App an, in der potenzielle Kunden von Elektrofahrzeugen mit den Daten ihres üblichen Fahr- und Nutzungsverhaltens testen können, ob ein Elektroauto für sie geeignet wäre.
Mit einer neuen Software ermöglicht es der Konzern den Kunden dann, ihren Wagen aus den vorhandenen Farben und Einrichtungskomponenten einfacher als bislang selbst zusammenzustellen. Die Daten werden später an den Händler übertragen. Dort können sich die Kunden wie gewohnt beraten lassen, das Auto probefahren und es ausliefern lassen.
Für diese Dienstleistungen bekommen die Händler von Volkswagen eine Provision. Die Zahl der Varianten hat Volkswagen reduziert und sie in bestimmte Kundengruppen wie Geschäftskunden oder Familien aufgeteilt – „letztlich vor allem auch, um Sonderausstattungen preisgünstiger anbieten zu können“, sagte Silke Bagschik WELT, die für die Vermarktung des ID.3 zuständig ist.
VW verspricht kurze Wartezeiten
Volkswagen will die Wartezeiten für den ID.3 möglichst kurz halten, um schnell eine relevante Zahl von Elektrofahrzeugen auf die Straße zu bekommen. Das dient auch dem Ziel, die Statistik des Konzerns bei den Werten für Treibhausgase bei den Neuwagen zu verbessern. Seit Anfang des Jahres gelten in der EU deutlich strengere Flottengrenzwerte für Kohlendioxid.
„Wer jetzt zeitnah seinen ID.3 kauft, wird ihn voraussichtlich im Oktober bekommen“, sagt Bagschik. „Wir werden in Zwickau so viele Fahrzeuge produzieren wie möglich. Die Wartezeit wird auf jeden Fall viel kürzer sein als zum Beispiel beim e-up!, bei dem sie derzeit rund ein Jahr beträgt.“
Wegen der Werksschließungen angesichts der Corona-Pandemie war die Fertigung des ID.3 im Frühjahr zurückgeworfen worden. Volkswagen hofft dennoch, die für dieses Jahr angestrebte Zahl von 100.000 Fahrzeuge zu erreichen.
Später noch wenige digitale Updates
Nach anfänglichen Problemen in der Produktion liefert Volkswagen den ID.3 mit der fast vollständigen, ursprünglich angekündigten Software aus. Zum ersten Update inklusive einiger Ergänzungen der Programme sollen die ersten Kunden des Elektroautos zu Beginn des kommenden Jahres dann ausnahmsweise noch einmal zum Volkswagen-Händler fahren – alle späteren Updates laufen, wie bei Tesla längst üblich, per Fernaufspielung „over the air“.
„Aufgespielt werden dann die jetzt noch fehlenden Funktionen App Connect für die Verbindung von Smartphone-Programmen mit dem Fahrzeug und die erweiterte Funktion des Head-up-Displays bei den Fahrzeugen einer bestimmten Sondervariante des ID.3“, sagt Marketing-Managerin Bagschik.
„Alle anderen der insgesamt 256 Funktionen bei der Software des ID.3 sind bei der Auslieferung verfügbar, unter anderem auch Bluetooth als Schnittstelle etwa für die Kontaktdaten vom Smartphone zum Fahrzeug.“
Den Strom gibt es vom Hersteller dazu
Gemeinsam mit dem Wagen verkauft Volkswagen auf Wunsch auch den Strom – hier war Tesla vor Jahren ebenfalls Vorreiter. Zugleich arbeitet der Wolfsburger Konzern am Aufbau einer Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa mit. „Wir werden gemeinsam mit unseren Handelspartnern bis 2025 rund 36.000 Ladepunkte in ganz Europa aufbauen. Ein Großteil davon wird öffentlich zugänglich sein“, sagt Vertriebschef Dahlmann.
Zugleich beteilige sich Volkswagen über das Joint Venture Ionity an der Errichtung von 400 Schnellladeparks an europäischen Autobahnen. 250 davon seien derzeit bereits in Betrieb, 50 weitere im Bau: „Zudem bieten wir über unser Tochterunternehmen Elli Wallboxen für das Laden von Elektrofahrzeugen zu Hause an.“
July 21, 2020 at 01:36PM
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VW jagt mit dem ID.3 Tesla: Prämien, Reichweite, Liefertermin - WELT
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