Das Telefon von Markus Krampe steht am Freitagmorgen nicht still. Krampe ist Geschäftsführer von Pro Event Entertainment, nach eigener Einschätzung eine der erfolgreichsten Veranstaltungsagenturen Deutschlands. Krampe vermittelt „Live-Acts“ von Promis wie Lukas Podolski oder Lothar Matthäus, um Veranstaltungen „aufzuwerten“; über ihn lassen sich Künstler aus den Bereichen Schlager, Pop und neunziger Jahre buchen – sogar „Corona“, das damals noch kein pandemisches Virus, sondern eine italienische Band war.
Einer seiner Topkunden bereitet Krampe derzeit allerdings große Sorgen: der „König des Pop-Schlagers“, Michael Wendler. Ob Wendler künftig, wie Pro Event bislang formulierte, „nach wie vor bei jedem Auftritt für absolute Begeisterung“ sorgt, ist nach seinen jüngsten Äußerungen mehr als zweifelhaft. Der Sänger von Gassenhauern wie „Sie liebt den DJ“, „Egal“ oder „Ein Zelt auf Westerland“ hat sich nämlich in kürzester Zeit quasi selbst ökonomisch und sozial ins Abseits geschossen.
Am Donnerstagabend ließ der 48 Jahre alte gelernte Speditionskaufmann die Fans über das soziale Netzwerk Instagram wissen, dass er als Juror aus der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ aussteige. Seinen Entschluss begründete Wendler mit ernster Miene mit der Corona-Krise. Der Bundesregierung warf er in diesem Zusammenhang „grobe und schwere Verstöße gegen die Verfassung und das Grundgesetz“ vor. Und die Fernsehsender, darunter auch seinen Haussender RTL, beschuldigte er, „gleichgeschaltet“ und „politisch gesteuert“ zu sein.
Eine ökonomische Tragödie
Ein Aufreger für viele in Deutschland und „ein Schock“ für Krampe, wie dieser in Oliver Pochers RTL-Show „Gefährlich ehrlich“ sagte: „Für mich ist er krank.“ Dort erörterte der Manager noch am selben Abend ausführlich und publikumswirksam die „menschliche Tragödie“ des Mannes mit der „Karriere, die nicht klein war“, die aber wohl mit Blick auf 15 Anwälte, die Verträge auflösen wollten, „mit sofortiger Wirkung“ beendet sei.
Tatsächlich ist es nicht nur eine „menschliche“, sondern auch eine ökonomische Tragödie mit erheblicher Tragweite. Es sind Auftritte, die wahrscheinlich künftig entfallen, da der in den Vereinigten Staaten weilende Wendler nach Krampes Angaben nicht mehr nach Deutschland zurückkehren will. Auch mit seiner TV-Präsenz dürfte erst einmal Schluss sein. Für RTL oder Sat.1 war der ebenso umtriebige wie umstrittene Sänger seit vielen Jahren ein Quotenbringer im Reality-TV-Umfeld. Als Teilnehmer in Formaten wie „Dschungelcamp“, „Promi Big Brother“ oder „Das Sommerhaus der Stars“, zuletzt als Juror für „DSDS“. Wendler verkaufte sich mit Haut und Haaren, inklusive Trauung: Die Doku-Soap „Laura und der Wendler: Jetzt wird geheiratet!“ lief noch im Sommer über die Sender und den Online-Kanal der RTL-Gruppe.
Aus, vorbei. Vorbei ist es auch mit den Werbeeinnahmen. Ausgerechnet am Tag der Instagram-Ankündigung des Schlagersängers hatte die Supermarktkette Kaufland einen Werbeclip mit ihm veröffentlicht, für die Kampagne sollte er rund 200.000 Euro Gage erhalten. Im Video singt Wendler eine umgedichtete Version seines Hits „Egal“ – „Regal“. Das Filmchen blieb allerdings nicht lang im Netz. Schon am Abend reagierte das Unternehmen der Schwarz-Gruppe: „Bei unserem Video mit Michael Wendler ging es um Spaß & Ironie. Die Grenze ist jedoch erreicht, wenn mit der Sicherheit & Gesundheit von Menschen gespielt wird“, hieß es im Twitter-Account von Kaufland. „Daher haben wir den ganzen Wendler-Content gelöscht & distanzieren uns von seinen Aussagen.“ Dazu verwendete Kaufland den Hashtag: „#nichtegal“.
„Herr Wendler ist nach seinen aktuellen Aussagen kein geeigneter Werbeträger mehr für Kaufland“, urteilte ein Kaufland-Sprecher. Er und das Unternehmen würden so nicht mehr zusammenpassen: Als Lebensmittelhändler wolle man Kunden und Mitarbeiter schützen. Auch in Werbekreisen sorgte die Sache für größte Aufregung. Während das Kaufland-Video tagsüber noch für Begeisterung gesorgt hatte, war der Schock am Abend groß.
Der Fall Wendler wirft ein Schlaglicht darauf, wie risikoreich es für Unternehmen sein kann, mit Prominenten zu werben. Dass Unternehmen und ihre Reklamestars nicht mehr zusammenpassen, ist nicht ganz neu. Als das Textilunternehmen Adler Modemärkte die Schauspielerin Veronica Ferres im Jahr 2008 als Werbegesicht engagierte, sollte das eigentlich seinen Ruf aufbessern. Lange ging das nicht gut, auch wenn der Grund dafür heute absurd anmutet. Nachdem Ferres und ihr damaliger Ehemann sich getrennt hatten, lebte die Schauspielerin mit einem neuen Partner zusammen, ohne Trauschein. Der frühere Chef des Modeunternehmens sah die Schauspielerin von da an als „Kassengift“, die nun „in ehebrecherischem Verhältnis“ lebe. Der Vertrag wurde vorzeitig beendet, Ferres klagte kurze Zeit später vor Gericht und bekam recht.
Nicht gepasst haben soll es auch zwischen der amerikanischen Sängerin Rihanna und der deutschen Hautpflegemarke Nivea. Der Konzern Beiersdorf trennte sich im Jahr 2012 von seinem weltbekannten Werbegesicht. Der damalige Vorstandsvorsitzende Stefan Heidenreich bezeichnete die Werbung mit dem Star als „No-Go“. Eine Traditionsmarke und eine amerikanische Popsängerin? Das wollte für den Manager nicht zusammenpassen: „Ich verstehe nicht, wie man den Markenkern von Nivea mit Rihanna in Verbindung bringen kann.“ Der Fußballer Mesut Özil verlor mehrere Werbedeals, nachdem er und sein Kollege Ilkay Gündogan sich gemeinsam auf einem Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdogan hatten ablichten lassen. Ausgeworben hat es sich wohl auch für den Autor veganer Kochbücher Attila Hildmann. Er gilt inzwischen mit umstrittenen Aussagen zur Corona-Krise und seiner Teilnahme an entsprechenden Protesten als Verschwörungserzähler. Schnell distanzierten sich Verlage und die Supermarktkette Edeka. Die hatte im Jahr 2016 für einen Werbespot mit Hildmann kooperiert. Der Clip ist zwar noch aufrufbar, die Produkte gibt es aber nicht mehr im Handel zu kaufen: Edeka entfernte sie aus den Regalen, ebenso wie Kaufland.
Nun droht Michael Wendler eine ähnliche kommerzielle Ächtung. Doch das scheint für den gefallenen Schlagerstar das geringste Problem: Es werde Deutschland im nächsten Jahr wohl nicht mehr geben, vertraute er seinem Manager Krampe telefonisch an.
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