So übel hat es Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) schon lange nicht mehr getroffen: Nicht nur, dass ein Hexenschuss ihn in eine schmerzhafte Schonhaltung zwingt, die sich zu einem veritablen Haltungsschaden auszuwachsen droht. Der Oberstleutnant der Wiener Mordkommission liegt am Boden, gefesselt, und schaut in den Lauf einer entsicherten Pistole. Verstärkung ist nicht in Sicht. „Dienstschluss“, höhnt der Mann, der die Waffe auf den Polizisten richtet – und mit diesem beunruhigenden Blick auf den Showdown springt die Handlung zurück auf Anfang, wo Eisners Partnerin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) offenbar einen Mordanschlag, begangen mit einem Auto als Waffe, aufnehmen muss.
Der Überrollte war angeklagt, seine Tochter im Verbund mit „ganzheitlich“ arbeitenden, selbsternannten Heilern zu Tode hat kommen zu lassen. Er wurde wie die fragwürdigen Therapeuten freigesprochen. Nun liegt er tot auf dem Asphalt vor dem Gericht, offensichtlich das erste Opfer des Rachefeldzugs eines flüchtigen Täters, der es potentiell auf weiterer Zielpersonen abgesehen haben könnte. Ganz oben auf der mutmaßlichen Liste dürfte wohl Jan Fabian (Peter Raffalt) stehen, der nach Art eines Gurus auftretende Paramediziner. Dem Gründer des auf Wachstumskurs befindlichen Therapiekonzerns „Medicina Lenia“ geht es indes schon medial an den Kragen. Im Fernsehen tritt einer seiner ehemaligen Firmenpartner auf (Till Firit) und offenbart: alles nur Scharlatanerie bei Fabian.
Um das komplizierte Durcheinander des sich entspinnenden Falls, das sich vor allem aus der zeitlich ungeordneten, chronologische Hütchenspiele mit den Zuschauern veranstaltenden Erzählstrategie ergibt (Buch und Regie Rupert Henning), aufs Wesentliche herunterzubrechen: Es gibt drei Tote in vier erzählten Tagen zu beklagen und ein hingeschlachtetes Tier, und dass die Blutspur schon im vorweggenommenen Finale zu der kolumbianischen Terroristin Maria Moreno (Sabine Timoteo) führt, deren Auftreten (stets wie frisch aus Regenwaldversteck in militärisch grüner Kleidung und mit Schmutz im Gesicht) zuverlässig von Klängen aus einem traurigen spanischen Lied über die Liebe und das Leben begleitet wird, hat natürlich keinen anderen Sinn als den, Misstrauen gegenüber dieser allzu einfachen Lösung zu provozieren.
In dieser Episode mit dem einsilbig-vieldeutigen Titel „Krank“ läuft so manches nebeneinander her. Das sind die jegliche Härte weich bettenden verbalen Kissenschlachten zwischen den beiden Ermittlern, denen dieses Mal die etwas undankbare Aufgabe gestellt ist, medizinischen Running Gags (das Wirbelsäulenleiden) mit Wortklaubereien („vom Korinthenkacker zum Klugscheißer“) und dem Deutungsapparat der christlichen Heilsgeschichte zu verbinden. Vom Judaskuss über den Kreuzestod bis zur Auferstehung ist alles dabei, inklusive Kreuzzug. Für die Allgemeinbildung in säkularisierten Zeiten ist das ja nicht schlecht, aber die interessanteste Erkenntnis daraus ist, dass Bibi Fellner aushilfsweise in einem Kirchenchor in St. Stephan singt.
Um den Fall aufzudröseln, ist neben Lauf- eine Menge Vortragsarbeit nötig. Der Pathologe darf referieren, warum Homöopathie durchaus helfen kann, wenn man an sie glaubt, aber Antibiotika Leben retten. Gehilfe Manfred Schimpf (Thomas Stipsits) darf Hintergrundinformationen zu den Verdächtigen vortragen. Der Mann vom Verfassungsschutz etwas über die Nationale Befreiungsarmee erzählen. Bibi Fellner und Moritz Eisner erklären einander ohnehin unentwegt gegenseitig alles.
So bekommen wir langsam eine Ahnung von der Gemengelage aus Schmerz und Rache, ersatzreligiösem Jüngertum und weltlicher Habgier im Pharma- und Medizinbusiness. Psychologisch bleibt das alles reichlich rudimentär. Eine Guerrillera, die auf dem Gipfel hilfloser Wut wahlweise schießt oder Mülltonnen umtritt, mal Männer überwältigt, mal ein leichtes Opfer abgibt, hilft da auch nicht weiter. Wie gut, dass Moritz Eisner und Bibi Fellner einander haben – und Wahnsinns-Fahndungsmethoden wie die Handy-Ortung. Hilft auch, wenn man es im Kreuz hat – oder auf dasselbe gelegt werden soll.
Der Tatort: Krank läuft an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.
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